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Religion und Kirchen

Religion und Denken gehören zusammen, denn sie haben denselben Inhalt. Wie die Religion, so will auch das wahre Denken die Bestimmung des Menschen in seinem Verhältnis zum gesamten Sein und dessen geheimnisvoller letzter Einheit begreifen.

Albert Schweizer, 1875-1965 Theologe, Arzt und Philosoph

»Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des re­ligiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.« Diese Be­stimmung des Grundgesetzes (Artikel 4) empfindet jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland als selbstverständliches Grund­recht.

1.Die Verteilung der Konfessionen .

Etwa 85% der Bevölkerung be­kennen sich zu einer der beiden christlichen Konfessionen, und zwar ziemlich genau je die Hälfte zur römisch-katholischen und zur evangelischen Konfession; eine kleine Minderheit gehört anderen christlichen Gemeinschaften an. Der evangelische Volksteil über­wiegt im Norden, der katholische im Süden der Bundesrepublik. Rheinland-Pfalz, das Saarland und Bayern sind mehrheitlich katho­lisch, in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind beide Konfessionen etwa gleich stark, in den übrigen Bundesländern überwiegen die Evangelischen.

2.Historischer Hintergrund.

Die heutige Verteilung der christlichen Konfessionen stammt aus dem Zeitalter der Reformation, und dort liegen auch die Wurzeln des besonderen deutschen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche. Nach jahrzehntelangen Kämpfen wurde im Augsburger Religionsfrieden (1555) der Grundsatz »cuius regio, eius religio« (wessen Gebiet, dessen Religion) festgelegt: Der Lan­desherr erhielt das Recht, die Konfession seiner Untertanen zu be­stimmen. Der Westfälische Friede (1648) schränkte dieses Recht ein; fortan durften die Untertanen bei ihrem alten Glauben bleiben, wenn der Landesherr die Konfession wechselte, wie z.B. der Kur­fürst von Sachsen 1697. Die enge Bindung zwischen Staat und Kir­che - die u. a. darin zum Ausdruck kam, daß die evangelischen Für­sten zugleich die obersten Bischöfe ihrer Länder waren - wurde da­durch jedoch nicht aufgehoben. Sie begann sich erst im 19. Jahr­hundert zu lockern. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 voll­zog die Trennung von Staat und Kirche, ohne jedoch die histori­schen Bindungen restlos zu beseitigen. Die damit geschaffene Rechtslage besteht im wesentlichen noch heute, denn das Grund­gesetz hat die betreffenden Bestimmungen der Weimarer Verfas­sung im Wortlaut übernommen.

3.Kirche und Staat .

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Staatskirche. Der Staat steht den Religionen und Weltanschauun­gen neutral gegenüber. Die Kirchen sind jedoch keine privaten Ver­einigungen, sondern öffentlich-rechtliche Körperschaften beson­derer Art, die in einem partnerschaftlichen Verhältnis zum Staat stehen.

Das Verhältnis der Kirchen zum Staat ist außer durch die Verfas­sung durch Konkordate und Verträge geregelt. Zur Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber Bundesregierung und Parlament unter­halten sie Bevollmächtigte in Bonn. Die Vermögensrechte der Kir­chen sind garantiert. Sie haben Anspruch auf finanzielle Leistungen des Staates; dieser zahlt z. B. Zuschüsse zur Besoldung der Geist­lichen und übernimmt ganz oder teilweise die Kosten für bestimmte kirchliche Einrichtungen, z.B. Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen. Die Kirchen haben das Recht, von ihren Mitgliedern Steu­ern zu erheben, die in der Regel von staatlichen Behörden gegen Erstattung der Erhebungskosten eingezogen werden. Der Austritt aus einer Kirche erfolgt durch Erklärung vor einer staatlichen Be­hörde. Der geistliche Nachwuchs erhält seine Ausbildung größten­teils an den staatlichen Universitäten; die Kirchen haben einen ver­brieften Einfluß auf die Besetzung der theologischen Lehrstühle.

Diese weitgehenden Rechte der Religionsgemeinschaften und die nach wie vor engen Bindungen an den Staat sind nicht unum­stritten. Trotz gelegentlicher Kritik bedeutet jedoch schon allein die Tätigkeit der Kirchen bei der Unterhaltung von Krankenhäusern, Al­ten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der Beratung und Betreu­ung, Schulen und Ausbildungsstätten ein kaum ersetzbares karita­tives und soziales Engagement, das aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken ist.

4.Die evangelische Kirche.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist ein Bund von 17 weitgehend selbständigen lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen. Die Grenzen der Kir­chengebiete überschneiden sich zum Teil mit denen der Bundes­länder. Oberstes Gesetzgebungsorgan ist die Synode, oberstes Leitungsorgan der Rat der EKD. Am Sitz der Bundesregierung ist die EKD durch einen Bevollmächtigten vertreten.

Von den 17 Landeskirchen sind 7 lutherisch: Bayern, Braun­schweig, Hannover, die Nordeibische Kirche, Oldenburg, Schaum­burg-Lippe, Württemberg; 2 reformiert: Lippe, Nordwestdeutsch­land; 8 uniert: Baden, Berlin (West), Bremen, Hessen und Nassau, Kurhessen-Waldeck, Pfalz, Rheinland, Westfalen. Als »reformiert« bezeichnet man eine Kirche, die auf das Bekenntnis Calvins zurückgeht, als »uniert« eine Kirche, die auf einem Zusammenschluß von Reformierten und Lutheranern beruht.

Die lutherischen Landeskirchen mit Ausnahme von Oldenburg und Württemberg sind in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zusammengefaßt. Zur Evangeli­schen Kirche der Union (EKU) gehören die unierten Kirchen in Ber­lin (West), Rheinland und Westfalen. Die »Arnoldshainer Konfe­renz« ist eine Arbeitsgemeinschaft der unierten Landeskirchen, der beiden reformierten Landeskirchen und der lutherischen Kirche in Oldenburg.

Die EKD pflegt enge Kontakte mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Im Bewußtsein ihrer gemeinsamen Verantwor­tung richten beide Kirchen in Lebensfragen gemeinsame Worte an die Öffentlichkeit in beiden deutschen Staaten.

Die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik gehören dem Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat) an. Mit der rö­misch-katholischen Kirche besteht eine enge Zusammenarbeit. Die ökumenische Bewegung, an der die EKD starken Anteil nimmt, wächst immer mehr über das Institutionelle hinaus und wird zur Sa­che der einzelnen Christen. In vielen evangelischen und katholi­schen Gemeinden haben sich ökumenische Arbeitskreise gebildet.

Die Landeskirchen der EKD beteiligen sich - ihrer konfessionel­len Prägung entsprechend - auch an der Arbeit des Lutherischen Weltbundes oder des Reformierten Weltbundes.

5.Die katholische Kirche.

In der Bundesrepublik Deutschland ein­schließlich Berlin (West) bestehen fünf Kirchenprovinzen der rö­misch-katholischen Kirche. Sie umfassen 22 Bistümer, davon 5 Erz­bistümer:

-das Erzbistum Köln mit den Bistümern Aachen, Essen, Limburg, Münster, Osnabrück, Trier;

-das Erzbistum Paderborn mit den Bistümern Fulda und Hil­desheim;

-das Erzbistum München-Freising mit den Bistümern Augs­burg, Passau und Regensburg;

-das Erzbistum Bamberg mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg;

-das Erzbistum Freiburg mit den Bistümern Mainz und Rotten­burg-Stuttgart.

Berlin (West) ist Teil des Bistums Berlin.

Diese Einteilung der Diözesen stammt im wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert; einige Bistümer wurden erst im 20. Jahrhunderterrichtet. Die Erzbischöfe und Bischöfe der Bundesrepublik bera­ten gemeinsame Fragen in der Deutschen Bischofskonferenz mit Sekretariat in Bonn. Die Impulse, die das II. Vatikanische Konzil für die Mitwirkung der katholischen Laien in der Kirche und an den Auf­gaben der Kirche gegeben hat, werden von gewählten Vertretun­gen der Laien in die Tat umgesetzt. Die Besuche von Papst Johan­nes Paul II. 1980 und 1987 in der Bundesrepublik haben der ökume­nischen Bewegung und dem Dialog zwischen Kirche und Staat starke Anstöße gegeben.

6.Kleinere Religionsgemeinschaften

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